Cups, Spoons und Unzen: Kochen ohne Waage

Cups Spoons Butter

Der Artikel ist am 5.1.2016 auf derStandard.at erschienen.
Autorin: Ursula Schersch

 

In amerikanischen Rezepten werden beim Kochen und Backen nach wie vor Messbecher, sogenannte Cups, der Küchenwaage vorgezogen. Wieso nur? 

US-amerikanische Kochrezepte lesen sich häufiger wie Rätsel denn klare Anweisungen. Wer etwa auf der Suche nach einem perfekten und authentischen Brownie-Rezept im Internet auf einer amerikanischen Seite landet, wird oft von einer Zutatenliste begrüßt, die viele bereits beim ersten Anblick abschreckt. Was sollen Mengenangaben wie 5 Esslöffel grob gehackte Nüsse oder 1 Stick Butter? Wie viele Gramm sind 1 Cup Schokolade-Drops und 1 Cup brauner Zucker?

Von wegen unpatriotisch

Was den Europäern ihre Waagen, sind den Amerikanern ihre Cups. In den USA verwenden die meisten Heimköche zum Kochen und Backen Volumensangaben. Lediglich eine Minderheit greift auf herkömmliche Küchenwaagen zurück. „Wir empfinden es ganz und gar nicht als unpatriotisch, eine Küchenwaage zu verwenden. Die meisten tun es trotzdem nicht. Wir sind eben mit Cups und Spoons aufgewachsen, es ist reine Gewohnheit“, erklärt Debra Samuels, Autorin zweier Kochbücher und Food-Journalistin für den „Boston Globe“, die Vorliebe vieler US-Amerikaner für Messbecher und Co.

Amerikanische Mess-Cups

In den USA fasst 1 Cup 240 ml – diese Einheit ist genormt. Für Angaben wie 1/4 Cup, 1/3 Cup und 1/2 Cup werden eigene Gefäße verwendet, damit die Menge nicht im Cup-Becher geschätzt werden muss.

Schwieriges Ausbrechen aus der Cup-Routine

In den USA wechseln am ehesten jene zu Waagen, die sich professionell im kulinarischen Umfeld bewegen – etwa Köche und Bäcker. Aber längst nicht alle. So bevorzugt Richard Chudy, Autor des neuerschienenen Kochbuchs „American Burger Revival“, Cups als Maßeinheit. In seinem Buch findet sich ein Rezept für Burgerbrot, das auch in seinen Burger-Kochkurs Einzug hält. Die Zutatenliste für seine Burgerbrote enthält neben ½ Tasse Milch und 4 Esslöffeln Butter exakt 3 ½ bis 5 Tassen Mehl, also umgerechnet zwischen 455 und 650 Gramm.
 
Die Frage eines Kochkursteilnehmers aus Europa, warum er keine Küchenwaage verwende, kostet ihn ein Lächeln. „Klar könnte ich das. Aber ich weiß ohnehin, nach welcher Teigkonsistenz ich Ausschau halte. Außerdem verwenden die meisten, die mein Kochbuch kaufen, ebenso Cups“, erklärt Chudy. Alleine ist er mit dieser Haltung keineswegs. Ein Ausbrechen aus der Cup-Routine kann sich für Kochbuchautoren schnell zum Negativen wenden, da Kochbücher, die eine Waage erfordern, in den USA seltener gekauft werden.

Genormte Cups und Spoons

Was Europäer gerne übersehen: Cups und Spoons sind genormte Gefäße. Rezeptangaben beziehen sich immer auf diese standardisierten Behältnisse und nicht auf eine beliebige Tasse, wie beim Anblick amerikanischer Rezepte oft vorschnell vermutet. In den USA fasst 1 Cup 240 Milliliter, Ess- und Teelöffel haben ein Fassungsvermögen von 15 und 5 Millilitern.
 
Für Flüssigkeiten und sehr geringe Mengen einer Zutat, etwa 1/2 Teelöffel Salz oder Ähnliches, sind diese standardisierten Löffel daher oft genauer als die bei uns üblichen und stark voneinander abweichenden Löffelangaben. Und doch haben die Volumsgefäße ein riesiges Manko: Die Dichte mancher Lebensmittel ist bei gleichem Volumen sehr unterschiedlich.

Kleinere Einheiten werden in Tablespoons (15 ml) und Teaspoons (5 ml) angegeben. Butterangaben werden meist in Tablespoons oder Sticks gemacht. 4 Sticks Butter à 113,5 g ergeben ein Pfund (454 g). 1 Stick Butter sind 8 Tablespoons à 14 g.

Kleinere Einheiten werden in Tablespoons (15 ml) und Teaspoons (5 ml) angegeben. Butterangaben werden meist in Tablespoons oder Sticks gemacht. 4 Sticks Butter à 113,5 g ergeben ein Pfund (454 g). 1 Stick Butter sind 8 Tablespoons à 14 g.

Ungenauigkeit bei trockenen Zutaten

Am Beispiel Mehl wird das am deutlichsten sichtbar. Ein Cup Mehl wiegt nie so viel wie der nächste. Je nachdem, ob das Mehl vor der Verwendung gesiebt wird, mit dem Becher direkt aus dem Mehlsack geschaufelt und dabei gepresst oder in den Messbecher gelöffelt wird – Letzteres ist übrigens die empfohlene Technik –, wiegt ein Cup Mehl unterschiedlich viel.
 
Das Gewicht variiert aber selbst dann noch um 30 Prozent, wenn ein und dieselbe Person einige Male hintereinander mit der gleichen Technik die gleiche Mehlsorte abmisst. Ein Cup Mehl hat dann zwischen 125 und 165 Gramm, wie die US-Kochplattform „Serious Eats“ in einem Versuch vorzeigt. Angaben nach Masse sind von diesen Ungenauigkeiten nicht betroffen und lassen sich beim Kochen genauer reproduzieren.

Der goldene Mittelweg: Cups und Gramm

Derzeit versuchen sich manche Kochbuchautoren und Kochrubriken von Zeitungen an einem Mittelweg: Die gewohnten Volumensangaben werden um Gewichtsangaben – Gramm ebenso wie Unzen – ergänzt. Während der „Boston Globe“ in seiner Kochrubrik laut Food-Journalistin Samuels sehr strikte Richtlinien in puncto Schreibweise der Rezepte verfolgt und dabei bewusst auf Gewichtsangaben verzichtet, sieht man im Kochchannel der „New York Times“ hin und wieder Unzen, Gramm und Milliliter aufblitzen.

 

Die offizielle Richtlinie sieht jedenfalls für trockene Lebensmittel wie Mehl und Reis eine zusätzliche Angabe in Gewicht vor, so Sam Sifton, Ressortleiter des „New York Times“-Foodchannels. Die Online-Kochplattform der „Times“ wurde vor eineinhalb Jahren ins Leben gerufen und bietet mehr als 17.000 Rezepte, die bis in die 1980er-Jahre zurückreichen. „Wir sind derzeit dabei, die älteren Rezepte zu aktualisieren und auch Länder außerhalb der USA, die keine Cups benutzen, zu berücksichtigen. Allerdings muss man sich darüber im Klaren sein, dass Amerikaner nach wie vor überwiegend in Volumen messen und auch dies in unsere Richtlinien einfließt“, erklärt Sifton.

 

Jene, die mit einem Cup gehackter Nüsse nach wie vor nichts anzufangen wissen, können immer noch auf spezielle Seiten im Internet zurückgreifen, die zu wissen behaupten, wie viel ein Cup von diesem oder jenem Lebensmittel wiegt. Eine andere Möglichkeit wäre, die ganze Angelegenheit entspannt anzugehen, und es mit den Zutaten nicht allzu genau zu nehmen, ganz wie es auch Burgerkochbuch-Autor Richard Chudy vermittelt: „Entspannt euch, Leute. Wir sind keine Raketenwissenschafter.“

 
Weiterlesen:
• 
Rezepte aus den USA für derStandard.at in der USA-EssBar.
• Mehr US-Rezepte auf dem Blog gibt’s in der Rubrik USA.
• Mehr zum Thema Maßeinheiten und die Handhabe auf diesem Blog.

Cups, Spoons und Unzen: Kochen ohne Waage zuletzt geändert: 16 September 2020 von Ursula